Allgemein Politik

(M)eine Meinung zur direkten Demokratie

Von Lars Büsing

Als Direktkandidat der Piratenpartei für die Bundestagswahl 2013 im Wahlkreis 132 Bielefeld-Gütersloh II erhielt ich am 4. Mai eine E-Mail des Vereins Mehr Demokratie e.V.. Dieser führt zur Bundestagswahl 2013 eine Kandidatenbefragung zum Thema “Direkte Demokratie”, genauer gesagt über die Einführung von Volksinitiativen, Volkbegehren, Volksentscheiden und Referenden durch. Die Kandidaten wurden gebeten, zu vier Fragen eine Ja/Nein-Antwort sowie ein persönliches Statement abzugeben. Die Ergebnisse der Umfrage werden voraussichtlich in den kommenden Tagen veröffentlicht.

[Update 19.6.2013: Die Ergebnisse der Umfrage sind nun unter http://www.volksentscheid.de/kandidatencheck.html einsehbar]

Als langjähriger Befürworter der direkten Demokratie fiel mir die Beantwortung leicht. Dennoch habe ich mir bis Anfang Juni Zeit gelassen. In der Zwischenzeit hat die Piratenpartei die Forderungen des Vereins in weiten Teilen in ihr Wahlprogramm aufgenommen.

Im Folgenden meine Antworten auf die Fragen und das von mir abgegebene persönliche Statement:

  1. Sind Sie für die Einführung bundesweiter Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide? Ja
  2. Sind Sie für die Einführung von zwingenden Referenden bei Grundgesetzänderungen? Ja
  3. Sind Sie für die Einführung von zwingenden Referenden bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union? Ja
  4. Sind Sie für die Einführung von fakultativen Referenden auf Bundesebene? Ja

Persönliches Statement – Prolog

Politik, die sich auf ‘Alternativlosigkeit’ beruft und Komplexität als Vorwand nutzt, um Bürger von der Mitbestimmung auszuschließen, verliert ihre demokratische Legitimation.

In einer Zeit, in der politische Entscheidungen übermäßig und meist intransparent durch wirtschaftliche und finanzielle Einzelinteressen beeinflusst werden, ist es notwendig, demokratische Prinzipien zu stärken und ihnen innerhalb unserer repräsentativen Demokratie mehr Geltung zu verschaffen. Ohne direkten Einfluss auf die Entscheidungen der politischen Repräsentanten, ohne Volksentscheide und Referenden, ist eine funktionierende Kontrolle der Parlamente durch die Bürger – durch die Bewohner eines Landes – nicht in hinreichendem Maße möglich.

Für das Überleben unserer Demokratie, für eine demokratische Zukunft dieses Landes, ist die Einführung der direkten Mitbestimmung auf Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene unerlässlich.

Ausführungen

Mit Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden erhalten die Wähler die Möglichkeit, über ein mehrstufiges Verfahren an der Gesetzgebung mitzuwirken, eigene Gesetzesvorlagen einzubringen und von den politischen Repräsentanten beschlossene Gesetze abzulehnen.

Allein die Verfügbarkeit dieser Möglichkeiten, unabhängig von deren Nutzung, wird die Politik dazu zwingen, bereits bei der Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen die öffentliche Meinung und den Willen der Wähler stärker zu berücksichtigen. Wer damit rechnen muss, dass seine Entscheidungen durch den Wähler korrigiert werden, wird sich – schon aus eigenem Interesse – intensiver mit den Argumenten für und gegen ein bestimmtes Gesetz befassen. Die Qualität politischer Entscheidungen wird bereits verbessert, ohne dass von den neuen Möglichkeiten tatsächlich Gebrauch gemacht wird.

Aber Volksentscheide und Referenden bieten vor allem die Möglichkeit, den politischen Entscheidungen, insbesondere weitreichenden Entscheidungen, welche das Grundgesetz oder die Übertragung von staatlichen Hoheitsrechten an zwischenstaatliche Institutionen wie die EU betreffen, eine demokratische Legitimation zu geben. Insbesondere auf EU-Ebene existieren große Defizite in der Umsetzung und Verwirklichung demokratischer Prinzipien, die zu weiten Teilen aus dem fehlenden Vertrauen der politischen Führung in die Entscheidungskompetenz der Bürger und Wähler resultiert. Wer die Europäische Union erhalten und weiter entwickeln will, sollte ein Interesse daran haben, dass die ihr zugesprochenen Kompetenzen auch durch den Willen der Mehrheit ihrer Bürger legitimiert sind.

Abseits der Stärkung der Mitbestimmung und der demokratischen Legitimation sind Volksentscheide und Referenden geeignete Mittel, um die Wähler in den Prozess der politischen Willensbildung einzubeziehen und das allgemeine Interesse an der Politik zu stärken. Wer mitbestimmen kann, auf wessen Meinung es ankommt, der wird sich eher berufen fühlen, sich politisch zu informieren und sich eine qualifizierte Meinung zu bilden, als jemand, dessen Stimme von vornherein ignoriert wird. Wer selbst Politik mitgestalten kann, hat weniger Grund, von ihr verdrossen zu sein.

Die Piratenpartei spricht sich in ihrem Wahlprogramm für die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden aus. Gesetze sollen so auf den Weg gebracht, von den Parlamenten beschlossene Gesetze blockiert werden können (fakultatives Referendum). Zudem fordert die Piratenpartei die Einführung von verpflichtenden (obligatorischen) Referenden bei Grundgesetzänderungen und der Übertragung von staatlichen Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Institutionen.

Neben der Einführung dieser neuen Instrumente zur Bürgerbeteiligung fordert die Piratenpartei, den Einfluss der Bürger auf die Verwendung von Haushaltsmitteln, z.B. durch die Einführung sogenannter Bürgerhaushalte, zu stärken. Zudem tritt die Piratenpartei für eine Reform des Wahlrechts ein, die eine differenziertere Stimmabgabe bei Wahlen zum Ziel hat. Dazu gehört die Einführung offener Listen (wodurch die Reihenfolge der von den Parteien aufgestellten Kandidatenlisten durch das Wahlverhalten beeinflusst werden kann) und des Kumulierens und Panaschierens der Stimme (wodurch die Stimme auf verschiedene Kandidaten und mit verschiedenen Gewichtungen verteilt werden kann). Nicht zuletzt tritt die Piratenpartei dafür ein, die direkt-demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten auch auf EU-Ebene konsequent auszubauen und zu nutzen.

Mit ihren weitreichenden Forderungen zur direkten Demokratie und zur Bürgerbeteiligung ist die Piratenpartei die fortschrittlichste aller deutschen Parteien und sehr nah an den Forderungen des Vereins Mehr Demokratie e.V. In Verbindung mit ihren Positionen zu staatlicher Transparenz, ihren hohen Anforderungen an den Datenschutz und ihr Eintreten für die informationelle Selbstbestimmung – alles wichtige Elemente einer freien und offenen Bürgergesellschaft im 21. Jahrhundert – ist sie heute das wahre ‘Sturmgeschütz der Demokratie’.